Neues Artilleriegeschütz mittlerer Reichweite

Unsere heutige Artillerie umfasst zwar die wesentlichen Elemente, die zur Planung, Führung und Leitung von indirektem Feuer benötigt werden. Sie entspricht aber nicht mehr allen Einsatzanforderungen. Für die Artillerie mittlerer Reichweite (bis 100 km) wird aktuell ein Ersatz evaluiert. Im Zentrum steht die Ablösung der 1968 erstmals beschafften Panzerhaubitze M109.

Mit den Rüstungsprogrammen 1968, 1974, 1979 und 1988 hat die Schweiz total 581 Panzerhaubitzen M109 beschafft. 133 davon wurden mit dem Rüstungsprogramm 1997 werterhalten (Panzerhaubitzen M109 KAWEST WE). Die nicht werterhaltenen Panzerhaubitzen wurden verkauft oder entsorgt. Teilweise wurden sie auch für die Ersatzteilgewinnung verwendet oder dem Kulturgut zugewiesen. Mit der WEA verbleiben noch vier Artillerieabteilungen. Diese können mit 96 werterhaltenen Panzerhaubitzen vollständig ausgerüstet werden. Die verbleibenden 37 werterhaltenen Panzerhaubitzen decken den Ausbildungsbedarf sowie die logistische Umlaufreserve und die technische Reserve ab. Die Panzerhaubitzen M109 KAWEST WE erfüllen die heutigen Anforderungen an Schutz und Mobilität, Präzision und Reichweite sowie Vernetzung allerdings nicht mehr. Auch diverse Umsysteme sind veraltet.(1)

Einsatzzweck Artillerie mittlerer Reichweite

Indirektes Feuer ist ein wesentliches Element, das eine Armee zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe benötigt. Verfügen eigene Truppen nicht über Bogenschusswaffen, können sie auf einem modernen Gefechtsfeld nicht erfolgreich eingesetzt werden. Sie würden durch das gegnerische Feuer permanent in Deckung gezwungen, könnten sich nicht bewegen und die Kampffähigkeit des Gegners nicht einschränken.

Die Artillerie mittlerer Reichweite ist die Schwergewichtswaffe auf Stufe Brigade. Die eingesetzten Kampfverbände sollen aus primär dezentralen Stellungen mit präzisen indirekten Mitteln unterstützt werden können. Dabei soll die Fähigkeit vorhanden sein, identifizierte Ziele in der Grösse von Einzelfahrzeugen innert weniger Minuten punktgenau zu bekämpfen. Daneben sollen aber auch Flächenziele bekämpft werden können (z. B. Massierungen von gegnerischen Truppen, Waffensystemen oder Fahrzeugen). Heutiger Standard ist eine Reichweite von 50 km. Als Ambitionslevel gelten 75 km und als Fernziel rund 100 km mit entsprechend reichweitengesteigerter Munition.

Auf kurze Distanzen (bis 10 km) werden Mörsersysteme eingesetzt. Diese erlauben der unteren taktischen Stufe (Bataillon) rasch Feuerschwergewichte zu legen (z. B. auf gegnerische Truppenansammlungen oder Fahrzeuge). Durch die steile Flugbahn eignen sie sich besonders gut für den Einsatz im überbauten Gelände. Auf grössere Distanzen (über 100 km) wird Raketenartillerie oder die Luftwaffe eingesetzt. Dabei sollen gegnerische Verbände beim Aufmarsch oder hochwertige Ziele bekämpft und in ihrer Mobilität behindert werden können. Der Gegner wird daran gehindert, Truppen und Material zum Einsatz zu bringen, bevor es zu einem direkten Kontakt mit eigenen Truppen kommt.(2)

Laufende Beschaffung

Die Grundlage für neue Artilleriegeschütze geht auf die Erfüllung des Postulats Frick „Zukunft der Artillerie“ von 2016 zurück. Darin hält der Bundesrat fest, dass auch inskünftig verschiedene Waffensysteme nötig seien, um Kampfverbände mit indirektem Feuer unterstützen zu können. Unter anderem ein 15,5-cm-Artilleriesystem, das über eine mittlere Reichweite verfügen soll. Ein solches Geschütz sei das Hauptsystem der Artillerieabteilungen, die den Kampf der mechanisierten Brigaden mit rasch verlegbarem Bogenfeuer unterstütze, indem sie einen Gegner stoppen, niederhalten oder zerschlagen.(3)

Mit der Armeebotschaft 2019 wurde schliesslich ein Kredit von 30 Mio. CHF für die Beschaffungsvorbereitung eines neuen Artilleriesystems gesprochen. Ziel ist 2023 die Beschaffungsreife zu erreichen und das Vorhaben in den Folgejahren zu beantragen. Die Einführung erfolgt frühestens Ende der 2020er-Jahre.

In der aktuellen Planung ist die Beschaffung mit der Armeebotschaft 2026 vorgesehen. Das Budget beträgt 750 Mio. CHF und umfasst nebst der Ablösung der Panzerhaubitzen M109 auch Präzisions- und Sprengmunition sowie geschützte Logistik.

Die wesentlichen Anforderungen sehen wie bis anhin ein 15,5 cm Kaliber, aber neu radgestützte Fahrzeuge vor.

Aktuell verbleiben noch zwei Hersteller im Evaluationsverfahren:

  • BAE Systems aus Schweden mit dem ARCHER;
  • Krauss-Maffei Wegmann aus Deutschland mit der RCH 155 (Remote Controlled Howitzer).

Bereits aus der Evaluation ausgeschieden sind:

  • Elbit Systems aus Israel mit ATMOS 2000 (Autonomous Truck Mounted Howitzer System);
  • Nexter aus Frankreich mit dem CAESAR (Camion équipé d’un système d’artillerie);
  • Rheinmetall aus Deutschland mit der RWSPH (Rheinmetall Wheeled Self-propelled Howitzer).

Moderne Artilleriegeschütze

Die Funktionsweise moderner Artilleriegeschütze ist im Grundsatz unverändert. Hingegen sind einzelne Komponenten stark optimiert worden, um insbesondere die Reichweite und Feuerdichte zu erhöhen. Eine entscheidende Rolle für die Reichweite spielt die Rohrlänge. Alle in der laufenden Beschaffung evaluierten Geschütze haben ein L52-Rohr (52x das Kaliber). Für die Feuerdichte ist mitunter die Leistungsfähigkeit des Geschossladers (automatisch oder halbautomatisch) zentral. Ebenfalls können heutzutage mit MRSI-Fähigkeiten (Multiple Round Simultaneous Impact) mehrere Geschosse in unterschiedlichen Elevationen abgefeuert werden, welche dann durch die unterschiedlich langen Flugbahnen gleichzeitig im Ziel eintreffen.(5)

Stark verbessert wurde auch der Schutz und die Beweglichkeit des Trägerfahrzeuges. Diese sind aber stark gelände- und einsatzabhängig, weshalb ganz unterschiedliche Ausführungen bestehen. Überlebenswichtig ist eine kurze Verweildauer in der Feuerstellung. «Schiessen-und-Verschwinden» innerhalb von 150 Sekunden sind zum Imperativ geworden. Solch rasche Stellungswechsel sind mit gezogenen Haubitzen nicht möglich.(6)

Erneuerung des Gesamtsystems Artillerie

Auch wenn aktuell der Fokus auf dem Artilleriegeschütz liegt, darf nicht vergessen bleiben, dass die Artillerie ein komplexes Gesamtsystem ist. Ihre Schlagkraft wird durch alle Systemkomponenten beeinflusst. Die Politik hat die finanziellen Mittel so zur Verfügung zu stellen, dass die Armee ein lückenloses Gesamtsystem Artillerie beschaffen kann. Dazu gehören auch ein Flugbahnradar um gegnerisches Feuer zu detektieren, neue Feuerführungs- und Feuerleitungssysteme, Systeme zur Messung der meteorologischen Verhältnisse, Beobachtungsinstrumente zur Beleuchtung von Zielen (sei es mittels Drohnen oder terrestrischer Beobachterequipen, sogenannte Forward Observer Teams), Munition für unterschiedliche Einsatzbereiche, geschützte Logistikelemente, Infrastruktur zur Lagerung von Munition und Betriebsstoff sowie Simulatoren für die Ausbildung und Trainings auf unterschiedlichen Stufen.

Quellen

  1. Bundesrat. (2018). 18.022 Armeebotschaft.
  2. VBS (Hg.). (2019). Grundlagenbericht über die Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Bodentruppen, Zukunft der Bodentruppen.
  3. Bundesrat. (2016). Zukunft der Artillerie, Bericht in Erfüllung des Postulates 11.3752.
  4. Bundesrat. (2019). 19.022 Armeebotschaft.
  5. Brutschy, M. (2021). Ein neues Geschütz für die Artillerie. SOGAFLASH, 2021.
  6. Bachmann, Th. (2022). Ukraines Transformationsprozess mitten im Krieg. ASMZ, 08/2022.
Auswirkung von Terror auf die Artillerie

Auswirkung von Terror auf die Artillerie

Terrorakte beabsichtigen die Gesellschaftsordnung durch Furcht und Schrecken zu beeinflussen. Die Artillerie ist kaum direktes Ziel solcher Anschläge. Allerdings wurden in Folge von 9/11 ihre Mittel und Verbände massiv abgebaut. Für die Zukunft muss die Artillerie wieder gestärkt werden. Unsere Sicherheit hängt nach wie vor auch von den Fähigkeiten mechanisierter Verbände ab.

Am 14.01.1858 schleudern Felice Graf Orsini zusammen mit Verbündeten 3 Bomben aus Knallquecksilber auf die Wagenkolonne des eintreffenden Kaisers Napoléon III vor der Oper in Paris. Die enormen Explosionen brachten die Strassenbeleuchtung zum Erlöschen, das Glasdach über dem Eingang der Oper zerbarst und 148 Menschen wurden verletzt, 8 starben. Der Kaiser und seine Frau blieben wie durch ein Wunder unverletzt. Der italienische Rechtsanwalt Orsini wollte damit die Welt auf die Situation in Italien aufmerksam machen, wo die Zerstrittenheit mehrerer Staaten die andauernde Besetzung durch Österreich begünstigte.(1)

Orsinis Bombenattentat gilt als erster Terroranschlag moderner Ausprägung. Bis heute bleibt ein solches Vorgehen typisch für Terrorismus. Gemäss Taktischer Führung der Schweizer Armee zeichnet sich ein Terrorakt durch eine extreme, konzentrierte Gewaltanwendung aus und soll ein Maximum an Wirkung erzielen. Dabei ist die Auswahl des Zieles zur Erzeugung von Medienaufmerksamkeit von entscheidender Bedeutung. Es wird beabsichtigt die herrschende Gesellschaftsordnung mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken zu beeinflussen oder zu ändern.(2)

Auch die Terroranschläge vom 11.09.2001 auf symbolkräftige zivile und militärische Gebäude in den Vereinigten Staaten folgten diesem Muster. Das Vorgehen wurde in einer Konsequenz ausgeführt, dass die Welt seither eine andere zu sein scheint. Auch wenn die Artillerie nicht direkt Ziel terroristischer Anschläge ist, hat auch sie die Auswirkungen von 9/11 zu spüren bekommen.

Kurzfristige Auswirkungen: Know-how Verlust durch AMBA CENTRO

Nach den Terroranschlägen von 9/11 und dem darauffolgenden „Krieg gegen Terror“ hat sich die Bedrohungslage auch in der Schweiz verschärft. Insbesondere mussten hierzulande die Botschaften und Konsulate von involvierten Staaten stärker beschützt werden. Diese personalintensiven Objektschutzmassnahmen konnten die Kantone nicht selbst bewerkstelligen. Daher hat der Bundesrat 2004 die Armee beauftragt, die zivilen Behörden beim Schutz ausländischer Vertretungen zu unterstützten. Der Einsatz erfolgte subsidiär, also unter Führung der zivilen Behörden. Initial war er bis 2007 befristet und auf maximal 800 Angehörige der Armee beschränkt.

Mit dem Entwicklungsschritt 2008/11 wurde die Armee für subsidiäre Einsätze zugunsten ziviler Behörden und Raumsicherungseinsätzen ausgerichtet und die Artillerie geschwächt.

Rasch kam Kritik an diesem Einsatz der Armee auf. Zur Erfüllung dieser subsidiären Aufträge mussten auch WK-Verbände der Artillerie, Panzertruppen oder Infanterie eingesetzt werden. Die Politik sah das Ausbildungsniveau, dieser für die Verteidigung vorgesehenen Truppenkörper, gefährdet – und damit die Glaubwürdigkeit der ganzen Schweizer Armee. Schon 2005, dem ersten Jahr dieses Einsatzes, wurden 3 der damals 8 aktiven Artillerieabteilungen für AMBA CENTRO aufgeboten. Für die eingesetzten Truppen war die Dienstleistung meist langweilig und wenig anspruchsvoll. Die Kader der Stäbe und Kommandanten wurden aufgrund des Subsidiaritätsprinzips kaum benötigt.

Schlussendlich musste selbst die Landesregierung eingestehen, dass eingesetzte Verbände nahezu keine Gefechtsausbildung absolvieren können. Fortan wurde beabsichtig nach Möglichkeit Durchdiener für die Auftragserfüllung einzusetzen.(3)

Zweifelsohne sind in dieser Zeit diverse Ausbildungslücken entstanden. Und so manch geeigneter Offizier hat resigniert von einer nächsten Weiterentwicklung abgesehen.

Mittelfristige Auswirkungen: Massiver Abbau mit dem ES 08/11

Durch Pfeile dargestellte Verschiebungen der Bedrohungen, Gefahren und Risiken (Vergleich Jahr 2000 mit Jahr 2006). Grafik: Botschaft ES 08/11

Anfangs 2004 wurde die Armee XXI eingeführt, welche auf den Bedrohungen, Gefahren und Risiken aus dem Sicherheitspolitischen Bericht 2000 basierte. Dabei wurde erkannt, dass die Schweiz auf längere Zeit hinaus nicht von anderen Armeen bedroht ist. Hingegen wurden nicht weniger gefährliche Herausforderungen unterhalb der eigentlichen Kriegsschwelle identifiziert, namentlich der Terrorismus. Nicht antizipiert wurde hingegen, dass die Terrorbedrohung über Jahre hinweg auf einem permanent erhöhten Niveau anhält. Folglich geht es nicht um die Bewältigung kurzfristiger und temporärer Spitzen. Vielmehr handelt es sich um eine auf Dauer erhöhte Bedrohung, die entsprechend auch einen permanent gesteigerten Sicherheitsaufwand erfordert und sich jederzeit kurzfristig verschärfen kann.

Mit dem Entwicklungsschritt 2008/11 sollten die Mittel der Armee daher für subsidiäre Einsätze zugunsten der zivilen Behörden und Raumsicherungseinsätze verstärkt werden.

Für die Artillerie bedeutete dies eine weitere Reduktion von Verbänden und der Ausserdienststellung von 162 Panzerhaubitzen sowie der vollständigen Auflösung der Festungstruppen.(4)

Langfristige Auswirkungen: Einbezug neuer Gefahren

Die direkte Androhung oder Anwendung bewaffneter Gewalt durch staatliche Akteure bleibt in Europa eine Realität. Dabei werden in Konflikten immer mehr hybride Mittel eingesetzt, beispielsweise durch den Einsatz von nicht gekennzeichneten Truppen oder Cybermitteln. Ebenfalls treten staatliche und nicht staatliche Akteure gleichzeitig auf, unter anderem auch terroristische Organisationen.

Die wahrscheinlichste terroristische Bedrohung in der Schweiz geht von Personen aus – wie es die Attentate in Morges (19.09.2020) und Lugano (24.11.2020) gezeigt haben –, deren gewalttätige Orientierung ebenso in persönlichen und psychischen Krisen wie in ideologischen Überzeugungen wurzelt. Es ist davon auszugehen, dass die Schweiz weiterhin ein sekundäres Ziel für Anschläge bleibt. Jedoch können internationale Organisationen und Interessen von Drittstaaten, die auf internationaler Ebene eine massgebliche Rolle im Kampf gegen den Terrorismus spielen, Ziele von Angriffen auf Schweizer Territorium sein.(5)

Die Armee muss heutzutage im ganzen Spektrum hybrider Bedrohungen in der Lage sein, das Land, die Bevölkerung sowie die Infrastrukturen wirksam zu schützen und zu verteidigen. Dabei ersetzen neue Bedrohungen die alten nicht, sondern sie ergänzen sie!

Konsequenzen für die Artillerie

Auch in Zukunft wird eine starke Artillerie für die Sicherheit in der Schweiz benötigt. Den Abbau von Fähigkeiten, Mitteln oder Verbänden, wie er unter anderem als Folge von 9/11 geschehen ist, gilt es zu korrigieren. Die Artillerie muss endlich wieder befähigt werden, die Einsatzverbände rasch und ausreichend mit indirekt wirkenden Mitteln unterstützen zu können. Zum einen soll sie sowohl im allgemeinen Feuerkampf auf mindestens 50 km wirken, wie auch die Kampfverbände durch unmittelbares Feuer unterstützen können. Zum anderen muss sie sowohl Flächenziele bekämpfen, wie auch präzise in urbanem Gelände wirken können. Und letztendlich benötigt sie einen starken Eigenschutz. Das beste Artilleriesystem nützt nichts, wenn es auf einfachste Weise – von konventionellen oder irregulären Kräften – ausser Gefecht gesetzt werden kann.

Quellen

  1. Carola Dietze: Die Erfindung des Terrorismus in Europa, Russland und den USA 1858–1866.
  2. Schweizer Armee: Taktische Führung 17, Kapitel 3 – Bedrohung und Gefahren, Ziff 3038 f.
  3. Bundesrat: Stellungnahme zu 05.3767 Interpellation „Amba Centro und die Ausbildung unserer Milizarmee“.
  4. Bundesrat: 06.050 Botschaft zur Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 der Armee.
  5. Bundesrat: Sicherheitspolitischer Bericht (Entwurf) 2021.

Ein neues Kampfflugzeug hat für die Artillerie gleich doppelte Bedeutung

Wer sicherheitspolitisch verantwortungsvoll und langfristig denkt, wird die Notwendigkeit eines neuen Kampfflugzeugs nicht bestreiten. Für die Artillerie ist ein modernes Kampfflugzeug gleich von doppelter Wichtigkeit. Einerseits ist die Artillerie auf den Schutz gegen Angriffe aus der Luft angewiesen und andererseits ergänzen sich Artilleriesysteme und Kampfflugzeuge bei der Bekämpfung von Bodenzielen.

Die Artillerie ist die Schwergewichtswaffe auf der Taktischen Stufe. Sie kann die Kampfkraft eines Gegners massiv herabsetzen, seine Handlungsfreiheit einschränken und das Gefecht der eigenen Kampfelemente unterstützen. Zusammen mit den Panzerverbänden bildet sie den Kern der mechanisierten Truppen, welche bei Bodenoperationen die Entscheidung herbeiführen. Damit sie jedoch ihre Kraft entfalten kann, ist sie auf die Unterstützung und Zusammenarbeit mit der Luftwaffe angewiesen.

F-5E Tiger II: Gegen Ende der Siebzigerjahre zum Zweck des Raumschutzes beschafft. Heutigen Anforderungen nicht mehr genügend. (Quelle: VBS)

Bedeutung 1: Für Mobilität braucht es Schutz aus der Luft

Mechanisierte Verbände zeichnen sich nicht nur durch ihre Feuerkraft und den hohen Schutz aus, sondern auch durch ihre Mobilität. Jener Fähigkeit, die Mittel bewegen und so rasche Schwergewichtsverlagerungen vornehmen zu können. Der Schutz von gepanzerten Fahrzeugen wirkt primär gegen direktes und indirektes Bodenfeuer. Um gegnerische Elemente am Boden selbständig bekämpfen zu können, sind die Fahrzeuge zusätzlich mit Abwehrbewaffnungen ausgerüstet. In der Artillerie hauptsächlich mit dem 12,7 mm Maschinengewehr 64. Zwar kann das Mg 64 auch gegen Luftziele verwendet werden. Dies aber lediglich auf 1’500 m Entfernung. Zudem stehen dem Schützen infolge der Geschwindigkeit von Luftzielen nur wenige Sekunden für die Schussabgabe zur Verfügung.(1)

Gegnerische Elemente aus der Luft können realistischerweise nicht selbständig bekämpft werden. Dazu sind mechanisierte Truppen zwingend auf die Luftwaffe angewiesen. Nebst den Kampfflugzeugen gehören dazu selbstverständlich auch die Mittel der bodengestützten Luftverteidigung. Ohne schützendes Dach in der dritten Dimension verlieren sämtliche Bodentruppen ihre Handlungsfreiheit. Und gerade mobile Elemente wie Panzer und Artillerie können kaum mehr eingesetzt werden. Sie müssten dauernd damit rechnen, aus der Luft vernichtet zu werden.(2)

So kraftvoll mechanisierte Verbände auch sind, ihre Einsatzfähigkeit wird bestimmt durch die Luftsituation in welcher sie zu kämpfen haben. Damit sie zum Einsatz gebracht werden können, ist mindestens eine vorteilhafte Luftsituation notwendig. Dies ist der niedrigste Grad an Kontrolle über den Luftraum und Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der eigenen Bodenoperationen. Die Luftwaffe muss daher in der Lage sein zu verhindern, dass gegnerische Luftstreitkräfte ihre Waffen wirkungsvoll gegen unsere Bodentruppen einsetzen können.(3)

Die F/A-18 Hornet: In der Schweizer Version nicht erdkampffähig und kurz vor dem Ende der Nutzungsdauer. (Quelle: VBS)

Bedeutung 2: Joint Fires – koordinierter Einsatz gegen Bodenziele

Kampfflugzeuge verfügen über die Fähigkeit, rasch und weit in den gegnerischen Raum einzudringen. Sie können Ziele in der Tiefe bekämpfen, wie beispielsweise Führungseinrichtungen, Kommunikations- und Verkehrsinfrastruktur, militärische Schlüsselsysteme oder Ansammlungen von Truppen und Fahrzeugen. Für Luftangriffe wird sowohl ungelenkte oder (heutzutage immer häufiger) gelenkte Munition eingesetzt. Es können damit verheerende Schäden angerichtet werden. Die Reichweite kann bis mehrere hundert Kilometer betragen. Diese Waffenwirkung kann alleine schon als Druckmittel eingesetzt werden.

Beim Erdkampf, also Luftangriffe auf Bodenziele, werden grundsätzlich zwei Einsatzverfahren unterschieden: Zum einen die Abriegelung aus der Luft (Air Interdiction, AI). Sie umfasst die Bekämpfung gegnerischer Bodentruppen oder von diesen genutzte Infrastruktur. Der Luftangriff erfolgt, bevor Kampfhandlungen mit den eigenen Bodentruppen stattfinden. Der Gegner wird dadurch in seiner Mobilität eingeschränkt und seine Kampfkraft bereits geschwächt, bevor er auf die eigenen Kräfte trifft. Zum anderen besteht die Möglichkeit von Luftnahunterstützung (Close Air Support, CAS). Hierbei werden die eigenen Kampfverbände am Boden direkt unterstützt, sowohl in offensiven wie auch in defensiven Aktionen. Erfolgt eine koordinierte Feuerunterstützung von Artillerie und Luftwaffe, spricht man von Joint Fires (teilstreitkräfteübergreifendes Feuer).

Grundsätzlich können mit Luftangriffen ähnliche Ziele bekämpft werden wie mit Artilleriesystemen. Kampfflugzeuge verfügen aber über ein grösseres Wirkungsspektrum, welches auch die Bekämpfung von gehärteten Zielen (z.B. Bunker) oder Infrastruktur wie Brücken erlaubt, wozu die Kampfkraft der Artillerie nicht ausreicht.

Anders als bei der Artillerie sind Sensoren und Bewaffnung auf einer Plattform vereint. Ziele können sowohl aufgeklärt als auch bekämpft werden. Allerdings sind Kampfflugzeuge immer nur in einer kleinen Anzahl verfügbar und es besteht eine grosse Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen. Luftangriffe werden daher vor allem gegen Schlüsselziele durchgeführt, welche ausserhalb der Reichweite der Artillerie liegen.

Die in der Schweiz eingesetzte Rohrartillerie ist zusammen mit den Mitteln der Luftwaffe die einzig verfügbare Abstandswaffe. Bei der Bekämpfung von Bodenzielen ergänzen sich Kampfflugzeuge und Artilleriesysteme. Welches Mittel jeweils eingesetzt wird, ist abhängig vom Ort des Ziels, von der Bekämpfungspriorität und von zeitlichen Aspekten (Verfügbarkeit von Sensoren und Wirkmitteln).

Panzerhaubitze M109: Mobil und feuerstark, aber mit eingeschränkter Reichweite. (Quelle: Mech Br 11)

Quellen

1) Reglement 54.136, 12,7 mm Maschinengewehr 64
2) Reglement 56.090, Führung und Einsatz Luftwaffe
3) Reglement 52.055, Begriffe Führungsreglemente der Armee
4) VBS (Hg.). (2017). Luftverteidigung der Zukunft

Für die Wirkung im Ziel ist entscheidend, welche Munition eigesetzt wird

Konventionelle Munition für den klassischen Einsatz von Artilleriefeuer gegen grossflächige Ziele hat generell an Bedeutung verloren. Zunehmende Wichtigkeit erhalten Munitionstypen mit hoher Präzision zur Bekämpfung von Einzelzielen in überbautem Gelände. Zudem muss eine moderne Artillerie auf eine Reichweite von bis zu 100 km wirken können.

Artilleriemunition für die 15,5-cm Panzerhaubitze M 109 besteht aus vier Komponenten: Primer, Ladung, Zünder und Geschoss. Der Primer veranlasst die Initialzündung der Ladung, welche für die Beschleunigung des Geschosses sorgt. Je nach Menge des abgebrannten Pulvers wird eine unterschiedliche Anfangsgeschwindigkeit und letztendlich Reichweite erreicht. Der Zünder ist für die Auslösung der Geschossdetonation verantwortlich, wobei unterschiedliche Mechanismen bestehen. Der Verzögerungszünder verzögert die Detonation nach dem Aufschlag um eine zuvor bestimmte Zeit. Beim Zeitzünder lässt sich der Zündzeitpunkt so einstellen, dass das Geschoss im Idealfall wenige Meter über Boden explodiert. Der Annahärungszünder veranlasst dies mit einem eingebauten Abstandsmesser. Alle Zünder können auch als Momentanzünder eingesetzt werden und zünden das Geschoss unmittelbar beim Aufschlag.

15.5-cm Granate mit Staustrahltriebwerk von Nammo
zur Steigerung der Reichweite bis 100 km. (Bild: Nammo AS)

Die eigentliche Wirkung wird von der eingesetzten Granate bestimmt. Nebst der Übungsgranate und dem Beleuchtungsgeschoss bestehen in der Schweizer Armee nur noch zwei Typen von 15,5-cm Artilleriegranaten. Die Stahlgranate kann grundsätzlich gegen alle Ziele eingesetzte werden. Sie hat aber nur gegenüber weichen Zielen genügend Wirkung. Bei halbharten Zielen kann nur eine indirekte, beschränkte Wirkung erzielt werden (Beschädigung der Antennen, Optronik, etc.). Zur Bekämpfung von harten Zielen besteht nur noch die 15,5-cm-Suchzündermunition für die Artillerie, SMArt 155. Dieses Geschoss besteht aus zwei Submunitionen, die nach einer voreingestellten Flugzeit ausgestossen werden und an einem Fallschirm über dem Zielgebiet herabsinken. Mit einer integrierten Sensorik suchen sie das Gebiet ab und können mittels Hohlladungsprengkopf auch gepanzerte Ziele zerstören. Die zwischen 1988 und 1999 beschafften Kanistergeschosse wurden mit der Ratifizierung des Übereinkommens über Streumunition auf Grund der hohen Blindgängerrate dieses Munitionstyps verboten. Die Schweiz hat bis Ende 2018 ihre Bestände von Streumunition entsorgt.(1)

Damit wurden die Fähigkeiten der Artillerie stark eingeschränkt. Nebst einer Reduktion der Reichweite auf 20 km, wirken konventionelle Stahlgranaten nur ungenügend gegen gepanzerte Ziele. Zudem sind SMArt Geschosse nur in geringen Stückzahlen vorhanden und eine intelligente Munitionssorte älterer Generation. Sie ist primär auf eine herkömmliche militärische Bedrohung ausgelegt, insbesondere die Bekämpfung von gepanzerten Fahrzeugen in offenem Gelände.(2)

Anforderungen an moderne Artilleriemunition

Die Armeebotschaft 2019 beinhalten einen PEB-Rahmenkredit (Projektierung, Erprobung und Beschaffungsvorbereitung), zur Vorbereitung der Beschaffung eines neuen 15,5-cm Artilleriesystems. Drei Anforderungen stehen dabei im Fokus: Mobilität, Präzision und Reichweite.3Während Mobilität ausschliesslich durch die Waffenplattform sichergestellt werden kann, sind Präzision und Reichweite auch eine Frage der eingesetzten Munition.

Verfahren zur Erhöhung der Präzision

Um die Präzision zu erhöhen, werden grundsätzlich drei Verfahren angewendet:

  • Endphasen gelenkte Munition: Bei dieser Methode wird eine konventionelle Granate mit verhältnismässig geringem (Kosten-)Aufwand in ein Präzisionsgeschoss umgewandelt. Dazu wird mithilfe eines spezieln Aufsatzes die Granate auf der absteigenden Flugbahn gegen die Zielkoordinate hingelenkt. Die Kosten für eine solche Granate liegen bei rund 10’000 Franken pro Stück.
  • GPS gesteuerte Munition: Die Zieldaten werden vor dem Abschuss programmiert. Bei Erreichung der Scheitelhöhe klappen Gleitflügel aus und das Geschoss steuert die programmierte GPS-Position an. Trotz grosser Reichweite schlägt das Geschoss in senkrechter Flugbahn im Ziel ein und eignete sich deshalb besonders für Einsätze in überbautem Gelände. Die Kosten liegen bei solchen Geschossen bei rund 80’000 – 100’000 Franken pro Stück.
  • Lasersteuerung: Dieses Konzept besteht seit den achtziger Jahren. Dabei wird das Geschoss mit einer Lasersteuerung ins Ziel gelenkt. Dieses muss bis zum Aufschlag mit einem Laser angestrahlt werden.(3)

Für eine präzisere Wirkung ist in allen Fällen auch eine präzisere Identifizierung und Beobachtung des Zieles notwendig. (4) Ebenso erhöht sich die Bedeutung der Meteodaten.

Mauerdurchschlag mit anschliessender Detonation eines 15,5-cm Sprenggeschosses DM121 von Rheinmetall. (Bild: Rheinmetall Waffe Munition GmbH)

Bestrebungen zur Reichweitensteigerung

Eine Möglichkeit zur Vergrösserung der Reichweite besteht darin, die aerodynamischen Eigenschaften des Geschosses zu verbessern oder die Luftwirbel, die sich hinter dem Geschoss bilden (sogenannter Bodensog), durch kleine Antriebsraketen zu reduzieren (Base-Bleed-Munition). Durch solche Verfahren lässt sich die Einsatzdistanz allerdings nur um einige Kilometer steigern. Revolutionärer erscheint die Verwendung eines Staustrahltriebwerks (engl. Ramjet). Vergleichbar mit einer Turbine wird Luft innerhalb der Granate verdichtet und so sollen Reichweiten bis 100 km möglich werden.

Eine Reichweitenerhöhung ist darüber hinaus auch durch die Verwendung grösserer Ladungen und von Pulver mit höherer Brisanz möglich, was jedoch gleichzeitige massive Anpassungen und Eingriffe an der Konstruktion des Geschützes erfordert (längeres Rohr, grössere Ladungskammer, Verstärkung bei der Panzerhaubitze).(5)

Erneuerungsbedarf der Artilleriemunition

Im Bereich Artilleriemunition bestehen in der Schweiz bereits heute gravierende Lücken. Zudem hat der vorhandene Munitionsbestand ein hohes Durchschnittsalter. In den 2020er und 2030er Jahren wird der Grossteil der Munition ihr Nutzungsende erreichen.5Für die SOGART ist es wichtig, dass bei der Erneuerung des Artilleriesystems nicht nur auf die Waffenplattform fokussiert wird. Ebenso bedeutend ist die Beschaffung moderner Artilleriemunition. Die teuren Beschaffungs- und Unterhaltskosten insbesondere von Präzisionsmunition, werden eine Erneuerung nur in kleinem Umfang ermöglichen. Engpässe müssen also in Kauf genommen werden, diese sind vorgängig aber genau abzuwägen.

Quellen

(1) VBS (Hg.). (2019). Entsorgung von Streumunition der Schweizer Armee abgeschlossen
(2) Bundesrat. (2016). Zukunft der Artillerie, Bericht in Erfüllung des Postulates 11.3752
(3) Bundesrat. (2019). Armeebotschaft 2019
(4) Gafner, B. (2019). Interview mit Div R. Wellinger. Tagesanzeiger5) VBS (Hg.). (2019).Zukunft der Bodentruppen

Die SOGART setzt sich für eine moderne Artillerie ein

Die Artillerie ist die Schwergewichtswaffe auf der Taktischen Stufe. Sie kann die Kampfkraft eines Gegners massiv herabsetzen, seine Handlungsfreiheit einschränken und das Gefecht der eigenen Kampfelemente unterstützen. Die Wichtigkeit des indirekten Feuers vertritt die SOGART unterstützen.

Am 2. März 1984 wurde in Luzern die «Schweizerische Gesellschaft der Offiziere der Festungstruppen» (SGOF) gegründet. Diese stand unter dem Zeichen, die Belange der kurz zuvor gebildeten Festungstruppen bei den zuständigen Behörden und in der Öffentlichkeit gebührend zu vertreten. Es bestand die Ansicht, dass Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung trotz der Bildung dieser neuen Waffengattung vernachlässigt wurden. Rasch darauf wurde erkannt, dass die mobile Artillerie mit gleichen Herausforderungen konfrontiert ist. Mit weitsichtigem Blick war man sich einig, zukünftig für eine gemeinsame Artillerie (mob/Fest) einzustehen. Somit wurde die Gesellschaft 1988 zur «Schweizerischen Offiziersgesellschaft der Artillerie und Festungstruppen» (SOGAF) umbenannt und der Vereinszweck entsprechend ergänzt. Später wurde auch die Schweizerische Gesellschaft der Artillerie-Übermittlungsoffiziere integriert. Die Armee XXI schaffte die Festungstruppen als eigenständige Truppengattung ab und gab den weitblickenden Festungsartilleristen von 1988 Recht, denn fortan gab es nur noch eine Artillerie. Diese beinhaltet alle Bogenschusswaffen mit einem Kaliber ab 12cm. Folglich fand die Umbenennung von SOGAF zur «Schweizerischen Offiziersgesellschaft der Artillerie» (SOGART) statt. Mit diesem Schritt wurde unterstrichen, dass die SOGART alle Artilleristen der Armee vertritt.(1)

Die Artillerie wegweisend geprägt: Alt Präsidenten der SOGART

Heutige Bedeutung von indirektem Feuer

Indirektes Feuer wird praktisch in allen militärischen Konflikten eingesetzt. Es bestehen keine Anzeichen, dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern würde. Jüngstes Beispiel für das Potential der Artillerie aus dem Ukraine-Krieg ist die Zerschlagung von zwei ukrainischen Bataillonen der 24. Mechanisierten Brigade innerhalb weniger Minuten.(2) In Europa gibt es denn auch keine Armee, die auf indirektes Feuer verzichtet. Auch wenn die Anzahl der Geschütze in vielen Ländern reduziert wurde, wird die Fähigkeit Kampftruppen auf unterschiedliche Distanzen mit Artilleriefeuer zu unterstützen, praktisch überall weiterentwickelt. Dabei wird angestrebt mit zahlenmässig weniger Mittel, gleiche oder grössere Wirkung zu erzielen.

Zustand des Artilleriesystems in der Schweiz

Unsere heutige Artillerie umfasst alle Elemente, die zur Planung, Führung und Leitung von indirektem Feuer benötigt werden. In diesem Sinne ist das Gesamtsystem vollständig vorhanden. Es entspricht aber nicht allen Einsatzanforderungen. Mängel bestehen insbesondere in vier Bereichen:

1. Reichweite: Mit dem Verlust der Kanistermunition hat sich die Reichweite von 27 auf rund 20km verkürzt. Hingegen kann mit weitreichenden Artilleriesystemen (über 50km) aus dem grenznahen Ausland auf fast alle Gebiete in der Schweiz geschossen werden.

2. Präzision: Beide in der Schweizer Armee verfügbaren intelligenten Munitionssorten (15.5cm-Suchzündermunition SMArt 155 und 12-cm STRIX-Munition) sind von älterer Generation. Sie sind primär auf die Bekämpfung von gepanzerten Fahrzeugen in offenem Gelände ausgelegt.

3. Mobilität: Zahlreiche Führungs- und Logistikfahrzeuge sind Raupenfahrzeugen, welche auf dem über 50-jährigen Schützenpanzer M-113 basieren und hohe Betriebskosten verursachen.

4. Einsatzverfahren: Die heutigen Abläufe sind primär auf eine Auseinandersetzung mit einem konventionellen Gegner ausgerichtet. So ist es mit dem Fargo-System (Berechnung der Flugbahn) nicht möglich, mit einzelnen Geschützen gleichzeitig auf mehrere Ziele zu schiessen.

Den Mängeln gegenüberzustellen sind insbesondere zwei laufende Verbesserungen:

1. Mörser 16: Damit wird die Lücke des indirekten Feuers auf kurzer Distanz (bis 10km) geschlossen. Zudem wird den Einsatzverbände die Möglichkeit gegeben gerade im überbauten Gebiet auch Einzelziele zu bekämpfen.

2. Taktisches Aufklärungssystem (TASYS): Die Aufklärungs- und Beobachtungsmittel werden so organisiert, dass nebst den Schiesskommandanten auch den Aufklärern das Leiten von Unterstützungsfeuer ermöglicht wird. Dies bewirkt eine Vervielfachung der so wichtigen Sensoren.(3)

Notwendige Modernisierung der Artillerie

Verschiedene Komponenten des Gesamtsystems Artillerie werden ab 2025 die Grenzen ihrer technischen Nutzungsdauer erreichen. Dies trifft insbesondere auf die Panzerhaubitze M-109 zu, die Waffenplattform für indirekte Feuerunterstützung mittlerer Distanz (10-50km). Für deren Ablösung bestehen zahlreiche Optionen, von Ersatz durch moderne Geschütze in geringerer oder gleicher Anzahl über eine erneute Kampfwertsteigerung, einer zwei Flottenstrategie bis hin zum Verzicht auf Artillerie mittlerer Reichweite.

Die SOGART geht stets mit der Zeit: Besichtigung 12 cm-Mörser 16

Bevor jedoch einzelne Komponenten erneuert werden, müssen die Anforderungen an die zukünftige Artillerie klar definiert sein. Dabei wird man um ein bewusstes in Kaufnehmen von Fähigkeitslücken aus Kostengründen nicht herumkommen. Erschwerend kommen zwei Entwicklungen hinzu, welche gewichtig zu berücksichtigen sind:

1. Die zunehmende Zersiedelung und Verstädterung machen eine Bekämpfung von gepanzerten Fahrzeugen in offenem Gelände immer unwahrscheinlicher. Wichtiger werden Einzelziele in überbautem Gebiet, wobei es Kollateralschäden an der Zivilbevölkerung und Infrastruktur zu vermeiden gilt.

2. Eine hybride Bedrohung zwingt die Armee ein breites Spektrum militärischer Herausforderungen zu bewältigen. Fähigkeiten sich in einem Gefechtsfeld mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren durchzusetzen, gilt es auch bei der Artillerie aufzubauen.(4)

Der SOGART erscheint es wichtig, den Anforderungskatalog einer modernen Artillerie rasch zu definieren, sodass ein Ersatz der wesentlichen Komponenten des Waffensystems Artillerie ab 2025 bereitsteht.

Quellen

(1) Kevin Guerrero und Peter E. Leuthold, 20-Jahr-Jubiläum: Von der SGOF zur SOGART, SOGAFLASH 2005, S. 37-38.
(2) Frank Leidenberger (Hg.), Thesenpapier I, Wie kämpfen Landstreitkräfte künftig?, S. 6.
(3) Generalsekretariat VBS (Hg.) Projektbericht VBS, Projektbeurteilung per 31.12. 2017, S. 44.
(4) Zukunft der Artillerie, Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulates 11.3752, 2016.

Festungsminenwerfer: Tiefe Bereitschaft oder Ausserdienststellung?

In seiner Stellungnahme vom 9.5.2012 zur Motion 11.4135 von Ständerat Paul Niederberger betreffend die Ausserdienststellung von Rüstungsgütern versichert der Bundesrat: «Hingegen kommt es zu keinen Liquidationen von modernen Systemen, was eine Nutzung solcher Systeme im Sinne von Ersatzteillagern nicht ausschliesst. So wurde die Ausserdienststellung von Festungsminenwerferanlagen gestoppt;» In der Armeebotschaft 2018 beantragt der Bundesrat dem Parlament die Ausserdienststellung der Festungsartillerie in den Jahren 2019 – 2024.

Der 12 cm Festungsminenwerfer (Fest Mw) ist eine Steilfeuerwaffe mit zwei glatten Rohren (Doppelmörser), die in einem Artilleriebunker (Monoblock) eingebaut ist. Im Monoblock sind alle für den Einsatz notwendigen technischen Installationen wie Feuerleitstelle und Übermittlungsmittel sowie Munition und weitere Versorgungsgüter untergebracht. Die Vorteile des Fest Mw sind seine hohe Einsatzbereitschaft, der hohe Schutz von Mannschaft und Waffe, die hohe Präzision, die Integration in das Waffensystem (Wf Syst) der Artillerie sowie die Versorgungsautonomie. Aufgrund des Standardkalibers 12 cm steht eine grosse Auswahl gängiger Munitionssorten zur Verfügung. Der Doppelmörser erreicht aufgrund eines automatisierten Ladevorganges eine Feuerkadenz von 24 Schuss pro Minute; was einer Batterie der mobilen Artillerie mit 6 kampfwertgesteigerten Panzerhaubitzen M109 entspricht. Bis ins Jahr 2003 wurden entlang der Hauptachsen und der Landesgrenze ungefähr 100 Fest Mw Monoblocks für rund 1 Mrd. Fr. gebaut. Mit den Fest Mw werden die Kampftruppen in ihrem Raum mit Artilleriefeuer unterstützt.

Aussenansicht 12 cm Fest Mw.

Armeebotschaft 2018

Mit der Armeebotschaft 2018 unterbreitet der Bundesrat dem Parlament die ersatzlose Ausserdienststellung aller Fest Mw. Das Wf Syst zur Abwehr eines mit Panzerverbänden vorgetragenen Angriffes hätte mit der veränderten Lage an sicherheitspolitischer und militärischer Bedeutung verloren. Die Verteidigung basiere heute auf mobilen Kräften. Ausserdem hätten moderne Präzisions- und Abstandswaffen den Nutzen von ortsfesten Wf Syst stark verringert. Die Fest Mw seien seit Jahren nur minimal instandgehalten worden und seien nicht mehr einsatzbereit. Weiter seien seit 2012 keine Truppen mehr vorhanden, welche die Fest Mw bedienen könnten. Vor allem argumentiert der Bundesrat aber mit Einsparungen von 1,5 Mio. Fr. beim Betriebsaufwand. Der einmalige Aufwand für die Ausserdienststellung wird mit 25 Mio. Fr. beziffert. Zwei weitere Varianten sind geprüft worden. Bei der Variante «tiefe Bereitschaft» geht es um den Erhalt des Wf Syst, damit es für eine allfällige spätere Nutzung wieder aktiviert werden könnte. Bei der Variante «minimale Grundbereitschaft» geht es um den Erhalt eines minimalen Bestandes von 10% aller Wf Syst, während der Rest ausser Dienst gestellt würde.

Veränderte Bedrohung und mobile Kräfte

Der mit Panzerverbänden vorgetragene, mit indirektem Feuer und aus der Luft unterstützte mechanisierte Angriff hat in allen militärischen Konflikten seit dem Fall der Berliner Mauer stattgefunden. Eine reine Orientierung an Wahrscheinlichkeiten bei der Bedrohungsanalyse greift zu kurz. Es sind die in Europa heute vorhandenen Potentiale an konventionellen Wf Syst, die in den letzten Jahren wieder aufgerüstet worden sind, bei der Beurteilung der gefährlichsten gegnerischen Möglichkeit zu berücksichtigen. Dem Argument, dass es verbunkerten Wf Syst an Mobilität fehle, ist zu entgegnen, dass das Artilleriefeuer unabhängig vom feuernden Wf Syst immer hoch mobil ist. Im Falle des Fest Mw umfasst der Einsatzbereich 360°, und die Reichweite beträgt rund 10 km.

Moderne Präzisions- und Abstandswaffen

Beim Fest Mw handelt es sich um ein Waffensystem der taktischen Stufe, während die erwähnten modernen Präzisions- und Abstandswaffen (Raketenartillerie und Luftwaffe) auf operativer oder strategischer Stufe eingesetzt werden. Nur die modernsten Armeen verfügen über eine geringe Anzahl dieser bunkerbrechenden Wf, welche in erster Priorität gegen Führungs- und Kommunikationsinfrastrukturen eingesetzt werden. Um keine lohnenden Ziele für Luftangriffe abzugeben, wurden die Fest Mw entlang der Hauptachsen verteilt.

Geschützraum 12 cm Fest Mw.

Einsatzbereitschaft

Dem Argument, dass es heute keine Truppen zur Bedienung der Fest Mw mehr gäbe, ist entgegenzuhalten, dass in der artilleristischen Feuerführung und Feuerleitung bei den Fest Mw dieselben Einsatzverfahren wie bei der mobilen Artillerie gelten. Das artilleristische Wissen ist in den mit der WEA verbleibenden vier Artillerieabteilungen vorhanden. Mit dem Rüstungsprogramm 2014 hat das Parlament den Kauf von 32 mobilen 12 cm Mörsersystemen als Ersatz für die 2009 ausser Dienst gestellten Panzerminenwerfer für rund 404 Mio. Fr. bewilligt. Ausgehend von einer Einführung bei der Truppe im Jahr 2023 wird damit nach rund 14 Jahren die Fähigkeitslücke in der unmittelbaren Feuerunterstützung auf kurze Distanz zu Gunsten der Kampfbataillone geschlossen. Bei der allfälligen Reaktivierung der ausser Dienst gestellten Fest Mw ist von einer noch längeren Zeitspanne auszugehen.

Betriebsaufwand und Investitionskosten

Die folgende Tabelle zeigt die jährlichen Betriebs- und die einmaligen Investitionskosten der in der Armeebotschaft 2018 erwähnten Varianten.

Tab. 1

Darin zeigt sich, dass bei einer isoliert betriebswirtschaftlichen Sichtweise die Variante «Ausserdienststellung» obsiegt. Allerdings sind die Einsparungen beim Betriebsaufwand von 1,5 Mio. Fr. gegenüber der Variante «tiefe Bereitschaft» im Vergleich zum Armeebudget klein. Ausserdem verursacht auch die Ausserdienststellung Investitionskosten bzw. sicherheitspolitische Entsorgungsgebühren von 25 Mio. Fr. zur Vernichtung von Rüstungsgütern mit einem Anlagewert von rund 1 Mrd. Fr. zu Anschaffungskosten. Für die Wiedererlangung der vollen Einsatzbereitschaft der Fest Mw rechnet der Bundesrat mit Investitionskosten von 250 Mio. Fr.

Fazit

Aus den oben genannten Gründen sind die verbunkerten Doppelmörser (Fest Mw) in tiefer Bereitschaft zu halten. Die geringen Vorwarnzeiten, die latente Bedrohung durch die in Europa vorhandenen Potentiale zur konventionellen Kriegsführung und die instabile sicherheitspolitische Lage verlangen nach der Bildung von Reserven. Die bezüglich Schutz, Präzision, Reichweite und Mobilität des Feuers modernen und funktionsfähigen 12 cm Fest Mw, welche aufgrund der steilen Flugbahn für den Kampf im überbauten Gelände geeignet sind, leisten hier einen wertvollen Beitrag und decken die artilleristische Grundlast ab, während mit der mobilen Artillerie Schwergewichte gebildet werden. Der dafür notwendige Betriebsaufwand von 2 Mio. Fr. beträgt 0,4 Promille des Verteidigungsbudgets von 5 Mrd. Fr. pro Jahr. Wohingegen mit der Ausserdienststellung Anlagenwerte von 1 Mrd. Fr. vernichtet und die Investitionen der Vergangenheit damit nutzlos würden.

Die hier verwendeten Bilder stammen aus der Mediathek des VBS.

Indirekte Feuerunterstützung auf kurze Distanz

Indirektes Feuer ist ein wesentliches Element, das die Armee zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe benötigt. Verfügen die eigenen Kampfbataillone nicht über Feuerunterstützung durch Bogenschusswaffen, so werden sie vom Gegner durch dessen Feuer permanent in Deckung gezwungen, können sich somit auf dem Gefechtsfeld nicht mehr bewegen und damit die Kampffähigkeit des Gegners auch nicht einschränken.

Indirektes Feuer wurde in praktisch allen militärischen Konflikten seit 1990 eingesetzt, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern würde. Mit indirektem Feuer werden die eigenen Kampftruppen unterstützt, indem ein Gegner in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und damit in seiner Kampftätigkeit behindert wird. Indirektes Feuer mit Bogenschusswaffen wurde und wird nicht nur von militärisch organisierten, staatlichen Streitkräften eingesetzt, sondern auch von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, beispielsweise mittels ungelenkten Raketen, Mörsern oder einzelnen Artilleriegeschützen. Indirektes Feuer wird auf unterschiedliche Distanzen eingesetzt: Auf mittlere bis grosse Distanzen gelangen Rohr- und Raketenartillerie, Kampfhelikopter und Kampfflugzeuge zur Anwendung, auf kurze Distanz (bis ca. 10 Kilometer) Mörsersysteme. 

Panzerminenwerfer 64/91 (Pz Mw 64/91)

Panzerminenwerfer 64/91.

Bis zur Ausserdienststellung 2009 verfügten die Kampfbataillone mit dem Minenwerferpanzer 64/91 über ein Mittel zur indirekten Feuerunterstützung auf kurze Distanz. Der Minenwerferpanzer 64 (Mw Pz 64) war der letzte Fahrzeugtyp, der auf der Basis des M113 für die Schweizer Armee beschafft worden war. Der Pz Mw 64/91 verfügte im Vergleich zum amerikanischen M113 A1 Standard Schützenpanzer über einen geänderten Innenausbau und eine erweiterte Funkanlage.  Das Fahrzeug wog 12 Tonnen und konnte auf der Strasse mit maximal 65 km/h verschieben. Die Panzerung betrug zwischen 12 und 44 mm. Die Mannschaftsluke auf dem Fahrzeug war dahingehend abgeändert worden, dass diese zweiteilig auf dem Fahrzeug Dach zur Seite hin zu öffnen war. Darunter war der 12cm Minenwerfer eingebaut welcher bei Bedarf auch im Felde auf einer speziellen Bodenplatte zum Einsatz kommen konnte. Der Minenwerferpanzer weist sowohl im inneren als auch äusserlich zahlreiche Anpassungen auf, welche bedingt durch die Hauptwaffe erfolgen mussten.  Die Trimmplatte an der Fahrzeugfront diente der Schwimmfähigkeit des Fahrzeuges und wurde nach Entzug der Erlaubnis zum Schwimmen zugunsten einer Abdeckblache in einem quer montierten Halteblech für die Aufnahme der Effekten der Besatzung entfernt.

Mit der von W+F Bern entwickelten und hergestellten Hauptwaffe konnten 12 cm Wurfgranaten, Rauchbrandgranaten, Beleuchtungsgeschosse und Explosiv-Übungsgranaten verschossen werden. Um das Jahr 2000 kam mit STRIX ein gelenktes, selbstzielsuchendes Mörsergeschoss aus schwedischer Produktion dazu. Es diente zur Bekämpfung von Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen. STRIX war bei ihrer Einführung die weltweit erste serienreife präzisionsgelenkte Mörsermunition. Insgesamt konnten 70 Schuss Munition auf dem Fahrzeug mitgeführt werden.

Als Sekundärbewaffnung verfügte der Pz Mw 64/91 über ein 12,7 mm Maschinengewehr 64, das ursprünglich von Browning später von Ramo hergestellt worden ist.

Insgesamt wurden 132 Stück des Pz Mw 64/91 für die Pz Mw Kp der Panzer- und Infanteriebataillone beschafft. Die fünfköpfige Besatzung setzte sich aus dem Fahrzeugkommandanten, dem Fahrer, dem MG Schützen, dem Geschützchef und dem Lader zusammen.

Indirekte Feuerunterstützung der Zukunft

Mörser 16 auf Piranha Fahrzeug.

Seit der altersbedingten Ausserdienststellung der 12 cm-Minenwerferpanzer 64/91 im Jahre 2009 verfügen die Kampfverbände der Schweizer Armee (Panzer- und Infanteriebataillone) über kein System mehr zur Sicherstellung der indirekten Feuerunterstützung auf kurze Distanz. Mit dem 12 cm Mörser 16 soll diese Fähigkeit wiedererlangt werden. Der Mörser 16 erlaubt es, auf der unteren taktischen Stufe (Bataillon) rasch Feuerschwergewichte – z. B. auf gegnerische Truppenansammlungen oder Fahrzeuge – zu legen. Mörsergeschosse weisen eine steile Flugbahn auf. Dadurch eignen sie sich besonders gut für den Einsatz im überbauten Gelände. Die vier neuen Mörserbatterien mit je acht Geschützen werden den mit WEA verbleibenden vier Artillerieabteilungen unterstellt. Jede Batterie verfügt über zwei Züge mit je vier 12 cm Mörsern 16 also über total 8 Waffensysteme. Im Einsatz werden die Mörserbatterien entweder den Kampfbataillonen einheits- bzw. zugsweise unterstellt oder verbleiben zentral geführt in den Artillerieabteilungen. Ein Mörser kann auch als Einzelgeschütz eingesetzt werden. Das heisst, dass jedes einzelne Mörsersystem auch über einen Rechner zur Ermittlung der Schiesselemente verfügt. Damit wird die Schweizer Artillerie erstmals über die Fähigkeit zum sogenannten „on-board-computing“ verfügen. Jedes Waffensystem verfügt so über eine eigene Feuerleitstelle.

Geschützbedienung mit «on-boardcomputing».

Vorgesehen ist die Beschaffung von 32 Mörsern mit Einbindung in das Integrierte Artillerie Führungs- und Feuerleitsystem (INTAFF) und in den Führungsverbund der Artillerie, von 12 geschützten Lastwagen (Logistikfahrzeuge) sowie von 36 Containern für den Munitionsnachschub. Die 12 cm Mörser 16 sollen im Zeitraum 2020–2022 ausgeliefert werden. Die erste RS zur Ausbildung der Besatzungen ist für das Jahr 2023 und die Einführung bei der Truppe im WK 2024 geplant.

Fazit

Mit dem Mörser 16 wird die Artillerie der Schweizer Armee nach 15-jährigem Unterbruch die Fähigkeit zur indirekten Feuerunterstützung auf kurze Distanz (bis 10 km) wieder erlangen. Dies ist zweifellos ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft der Artillerie. Bezüglich Feuerunterstützung auf mittlere und lange Distanz, Präzision des Artilleriefeuers, Schutz der Besatzungen und Mobilität bleiben aber grosse Fähigkeitslücken bestehen, welche im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Einsatzspähre „Boden“ zu behandeln sind.

Artillerieaufklärung

Die Artillerie muss als Gesamtsystem verstanden werden. Dieses umfasst neben der Waffe inklusive Munition, die Aufklärung, die Führung und die Logistik. Um das Artilleriefeuer rasch und genau ins Ziel zu bringen muss das System Artillerie über geeignete Sensoren zur Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung verfügen.

Die Artillerie schafft die Voraussetzungen für den Erfolg durch Kampf mit Feuer und Feuerunterstützung. Sie trägt im Kampf der verbundenen Waffen entscheidend dazu bei, den Gegner und vor allem seine indirekt schiessenden Unterstützungswaffen zu zerschlagen. Ein vorhandenes Ungleichgewicht der Kräfte ist durch mehr und wirkungsvolles Feuer auszugleichen. Dies trifft auch für das moderne Gefechtsfeld im überbauten Gelände und bei einem asymmetrisch kämpfenden Gegner zu. Hier sind die folgenden Anforderungen an die Artillerie und damit auch die Artillerieaufklärung sogar von noch grösserer Bedeutung.

Anforderungen

Eine moderne Artillerie muss schnell, präzise, wirkungsvoll und überraschend schiessen können. Die Sensoren zur Lageverfolgung und Zielbezeichnung müssen daher befähigt sein, den Gegner schnell, bei Tag und bei Nacht, bei jeder Witterung und im überbauten Gebiet aufzuklären. Ziele müssen zweifelsfrei identifiziert werden können, um Kollateralschäden und „friendly fire“ zu vermeiden. Da vom feindlichen Artilleriefeuer für die eigenen Bodentruppen eine grosse Gefahr ausgeht, müssen die eigenen Sensoren in der Lage sein, gegnerische Artillerie (Mörser, Kanonen, Selbstfahrgeschütze und Raketenwerfer) aufzuklären und als Ziel für die eigene Artillerie oder die erdkampffähige Luftwaffe zu bezeichnen. Dabei kann die Beobachtungsdistanz von einigen hundert Metern im Kampf im überbauten Gelände (KIUG) bis zu mehrere Kilometer beim Einsatz hinter den feindlichen Linien zum Beispiel mittels Drohnen betragen. 

Artillerieaufklärung heute

Fahrzeug des mechanisierten SKdt.

Die Artillerieaufklärung basiert heute auf dem Auge des Schiesskommandanten (SKdt). Dieses wird unterstützt durch Zielbestimmungs- und Vermessungsanlagen auf Fahrzeugen (Mowag EAGLE oder Puch) und der Drohne ADS-95 RANGER. Abhängig von den Wetterbedingungen ist damit Lage-, Ziel- und Wirkungsaufklärung bei Tag und bei Nacht möglich. Nur der motorisierte SKdt (Puch) kann im abgesetzten Betrieb zum Beispiel im KIUG eingesetzt werden. Die Genauigkeit der Zielbestimmung reicht für den Einsatz von Präzisionsmunition allerdings nicht aus. Für letzteren fehlt es auch an der Verfügbarkeit von Wetterdaten entlang der Flugbahn sowie im Zielgebiet. Die SKdt sind über das Integrierte Artillerie Feuerführungs- und Feuerleitsystem (INTAFF) in den Nachrichtenverbund der Brigaden eingebunden. Allerdings ist das Netz von Aufklärung, Nachrichtenbeschaffung und Beobachtung für den Artillerieeinsatz gegen einen schwer identifizierbaren Gegner zu wenig dicht. 

Arbeitsplatz des mechanisierten SKdt im Fahrzeuginnern.

Artillerieaufklärung morgen

Für eine wirkungsvolle Artillerieaufklärung sind wie bei den anderen Elementen des Systems Artillerie folgende Fähigkeiten entscheidend: Reichweite – Präzision – Mobilität – Schutz. 

Reichweite in Bezug auf die Sensoren bedeutet vor allem die Fähigkeit, über ein breites Spektrum von Beobachtungsdistanzen bei Tag, bei Nacht und bei jedem Wetter zeitverzugslos den Gegner aufzuklären und lohnende Ziele zu bestimmen.

Dabei muss die Präzision der Zielbestimmung mit der Präzision der eingesetzten Munition übereinstimmen, um Kollateralschäden und „friendly fire“ zu minimieren. Ausserdem müssen Wetterdaten entlang der Flugbahn sowie im Zielgebiet ermittelt werden können. 

Mobilität im KIUG bedeutet die Fähigkeit, Sensoren auch im abgesetzten Betrieb einsetzen zu können. Die dazu benötigte Zielvermessungs-, Beobachtungs- und Übermittlungsausrüstung muss „auf Mann“ mitgeführt werden können. 

Der Schutz der Sensoren umfasst die Fähigkeit, sich auf dem Gefechtsfeld in einem gepanzerten Fahrzeug verschieben und mittels Bordwaffen gegnerisches Feuer zum Selbstschutz erwidern zu können. 

Damit die Artillerie zum Konterfeuer befähigt ist, benötigt die Artillerieaufklärung ausserdem optronische Sensoren und Flugbahnradar. Für die Zielbezeichnung in der Tiefe des Raumes sind taktische Drohnensysteme geeignet, während Mini-Drohnen im KIUG eingesetzt werden können. Die Sensoren sind über das INTAFF in den Nachrichtenverbund der Brigaden einzubinden und das Netz von Aufklärung, Nachrichtenbeschaffung und Beobachtung ist für einen Artillerieeinsatz gegen einen schwer identifizierbaren Gegner im KIUG zu verdichten. Die Fähigkeit des Sensors, ein Ziel mittels Laser für die Vernichtung markieren zu können, hängt mit dem Vorhandensein der entsprechenden Munition zusammen. 

Mini-Drohne (RQ-11B Raven, AeroVironment).

Fazit

Aus dem oben dargestellten Soll-Ist-Vergleich ergibt sich eine Fähigkeitslücke bei der Schweizer Artillerieaufklärung. Soll diese geschlossen werden, sind auch unkonventionelle Ansätze wie folgt zu berücksichtigen: 

  • Befähigung aller im KIUG eingesetzten Truppen zur Zielbezeichnung, Anforderung und Leitung des Bogenfeuers mittels einfacher Feuerführungs- und Feuerleitverfahren.
  • Einsatz von Mini-Drohnen, Helmkameras und weiteren technischen Mitteln zur Aufklärung des Gegners.
  • Zusammenfassung der Ausbildung von Aufklärern und Schiesskommandanten der Artillerie.

Weiter ist auch die Beschaffung von neuer Zielvermessungs- und Beobachtungsausrüstung sowie von neuen Plattformen anzugehen. Denn nur mit einer modernen Ausrüstung der Komponente Aufklärung kann das System Artillerie seine Aufgabe auch in Zukunft erfüllen und den Feuerkampf mit Aussicht auf Erfolg führen. Das System Artillerie ist nur so stark, wie sein schwächstes Glied.

Operatives Feuer

Das operative Feuer bezweckt primär das Zerschlagen von gegnerischen Feuerbasen und Bereitstellungen in der Tiefe des Raumes oder auf den Flanken sowie die Abriegelung des Gefechtsfeldes. Für das Schiessen von operativem Feuer kommen Rohr- und Raketenartillerie sowie die Luftwaffe in Frage.

Artillerie und Luftwaffe moderner Armeen schaffen mit operativem Feuer günstige Voraussetzungen für die unmittelbaren Operationen der Bodentruppen. Die Schweizer Armee verfügt für Operationen in die Tiefe über keine geeigneten Mittel. Über die Fähigkeit operatives Feuer über Distanzen von mindestens 50 km zu schiessen, verfügte die Schweizer Artillerie noch nie. Seit der Ausserdienststellung der als Jagdbomber eingesetzten Hunter-Kampfflugzeuge im Jahr 1994 verfügt auch die Schweizer Luftwaffe über keine Fähigkeiten mehr, Bodentruppen auf grosse Distanz mit Feuer zu unterstützen oder den allgemeinen Feuerkampf zu führen. 

Braucht die Schweizer Armee operatives Feuer?

Würde man sich bei der Antwort auf die Wahrscheinlichkeit konventionell geführter Kriege in Mitteleuropa, auf den in aktuellen Konflikten vorherrschenden Kampf im überbauten Gelände (KIUG) und mögliche Kooperationen mit Ländern, die über die Fähigkeit zum operativen Feuer verfügen, abstützen, könnte man versucht sein, dies zu verneinen. Wenn wir uns hingegen an den in Europa heute vorhandenen Potentialen und Fähigkeiten zum operativen Feuer orientieren, muss diese Frage mit ja beantwortet werden. In diesem Zusammenhang muss der früher hinlänglich bekannte Begriff der Dissuasion – vor allem bei der nach dem kalten Krieg geborenen Offiziersgeneration – wieder bekannt gemacht werden. Es geht darum, den Gegner durch eine vorhandene Fähigkeit (z.B. die Fähigkeit der eigenen Artillerie und der eigenen Luftwaffe operatives Feuer zu schiessen) von einer geplanten Aktion abzuhalten. Oder, wie es ein deutscher Finanzminister einmal formuliert hat: „Die siebte Kavallerie im Fort Yuma muss nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt.“ 

Raketenartillerie

LARS (Leichtes Artillerieraketensystem 110 SF auf Fahrgestell MAN 6×6).

Während bei einem Kanonenschuss die Granate durch die Entzündung der Pulvertreibladung aus dem Geschützrohr in den Luftraum herausgeschleudert und dann von der Anziehungskraft der Erde zunehmend nach unten abgelenkt wird, trägt das Raketengeschoss die zu seiner Fortbewegung notwendige Treibkraft durch die Verbrennung eines Raketentriebsatzes in sich. Beim Kanonenschuss wird die Reichweite somit von der Anfangsgeschwindigkeit und den Einflüssen auf der Flugbahn bestimmt. Beim Raketenschuss hingegen hängt die Reichweite von der Kraftentfaltung und der Brenndauer des Raketentreibsatzes ab.

HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) von Lockheed Martin.

Aktuelle Raketenartilleriesysteme verfügen über unterschiedliche Reichweiten. Während beispielsweise das Leichte Artillerieraketensystem (LARS) über eine Reichweite von rund 14 km verfügt, beträgt diese beim Multiple Launch Rocket System (MLRS) rund 40 km und das High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) erreicht Ziele auf über 300 km. Die Boden-Boden-Rakete ISKANDER erreicht sogar 500 km entfernte Ziele mit einer Genauigkeit von 7 – 30 Metern, verfügt über ein Abschussintervall von 1 Minute und ist innert 4 – 15 Minuten ab Erreichen des Stellungsraumes feuerbereit. Daher hat ein russischer Militärattaché zu Recht festgehalten, dass „mit der Raketenartillerie Leben gerettet werden“. Gemeint hat er die Leben der eigenen Bodentruppen und der eigenen Zivilbevölkerung. Wir verweisen auf die oben gemachten Ausführungen zur Dissuasion.

Boden-Boden-Rakete Iskander von KBM.

Luftwaffe

Im Jahr 2001 hat der damalige Kommandant der Fliegerbrigade 31 mit Verweis auf die Konzeptstudie zur Armee XXI darauf hingewiesen, dass für die Fähigkeit zu operativem Feuer durch die Luftwaffe 10 Kampfflugzeuge für die Aufklärung, 20 Kampfflugzeuge für die offensive Luftverteidigung und 10 Erdkampfflugzeuge zusätzlich zur bestehenden Flotte benötigt würden. Die mögliche Einsatzdistanz hat er mit 1’000 km angegeben, weil der hauptsächliche Gegner immer noch die gegnerische Luftwaffe sei, die selbst in der Lage ist, operatives Feuer zu schiessen. 

Erkenntnis

Ohne eigenes operatives Feuer können die eigenen taktischen Bogenschusswaffen (Mörser, Kanonen, Selbstfahrgeschütze) so lange vom Gegner bekämpft werden, dass sie ihre Aufgabe in der unmittelbaren Feuerunterstützung der eigenen Kampfbataillone gar nicht mehr wahrnehmen können. Eine weitere Erkenntnis besteht darin, dass Operationen in die Tiefe nur mit operativem Feuer unterstützt werden können. Der Zielkatalog für operatives Feuer umfasst dabei gegnerische Bereitstellungen, Bereitschafts- und Stellungsräume der gegnerischen Artillerie sowie Führungs- und Logistikeinrichtungen.

Konsequenzen

Schon im Jahr 1945 hat Major Kuenzy in der ASMZ die Einführung der Raketenartillerie in der Schweizer Armee befürwortet und die Fähigkeit zu operativem Feuer gefordert. Im Jahr 2001 hat der damalige USC Operationen im Generalstab operatives Feuer der Luftwaffe und der Artillerie für die Armee XXI mit Reichweiten von mindestens 100 km gefordert. Im selben Jahr hat der damalige Kommandant des Gebirgsarmeekorps 3 folgende Konsequenzen gezogen, die heute nach wie vor gelten:

  • Die heutige Lücke beim operativen Feuer und bei den entsprechenden Aufklärungs- und Beobachtungsmittel muss zwingend geschlossen werden, sonst ist ein Aufmarsch der eigenen Truppen in Frage gestellt. Dabei spielt die Herkunft des operativen Feuers keine Rolle: Dieses kann sowohl durch die Artillerie als auch durch die Luftwaffe sichergestellt werden.
  • Mittel, welche im Bereich der Operationen in der Tiefe des Raumes eingesetzt werden sollen, müssen über hervorragenden Schutz, Tarnungs- und Täuschungsmöglichkeiten verfügen, da sie stets unter Feuer liegen werden. Wenn immer möglich ist auf Mittel zurückzugreifen, die sich der gegnerischen Aufklärung weitgehend entziehen können.
  • Es sind zwingend und in hoher Priorität Mittel zur Aufklärung und Feuermittel der operativen Stufe zu beschaffen.

Konterfeuer

Konterfeuer ist nicht nur eine gefährliche Bedrohung für die eigene Artillerie, sondern gleichzeitig eine wichtige Aufgabe der eigenen Bogenschusswaffen. Dabei muss die Artillerie als Gesamtsystem verstanden werden. Dieses umfasst neben der Waffe inklusive Munition, die Aufklärung, die Führung und die Logistik.

Ein Hauptaugenmerk jeder Krieg führenden Partei wird sich auf die gegnerische Artillerie richten, da das gegnerische Artilleriefeuer eine der grössten Gefahren für Landstreitkräfte darstellt. Das Ausschalten des gegnerischen Unterstützungsfeuers gehört somit zu den primären Zielen militärischer Aktionen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konflikt symmetrisch oder asymmetrisch ausgetragen wird. Unter den vier Hauptbedrohungen für die eigene Artillerie (Konterfeuer, Luftangriffe, Fernverminung und elektronische Kriegsführung) ist das Konterfeuer deshalb so gefährlich, weil in Europa heute grosse Potentiale im Bereich der Bogenschusswaffen inklusive Raketenartillerie vorhanden sind, die jüngst wieder ausgebaut werden.

Definition

Konterfeuer ist der Einsatz der eigenen Artillerie auf erkannte Stellungen gegnerischer Unterstützungswaffen (Mörser, Kanonen, Selbstfahrgeschütze und Raketenwerfer) vor, während und nach deren Feuereröffnung. Mit den heutigen Möglichkeiten der Aufklärung kann die gegnerische Artillerie im Feuerkampf innerhalb von 3 bis 5 Minuten ab deren Feuereröffnung mit eigenen Bogenschusswaffen bekämpft werden. Moderne Munitionssorten, insbesondere selbstzielsuchende und endphasengelenkte Präzisionsmunition, erlauben die Bekämpfung von Batteriestellungen aber auch von Einzelgeschützen, erschweren ein rasches Verlassen der Feuerstellungen und zerschlagen Geschütze und Mannschaften. Um dem gegnerischen Konterfeuer Stand zu halten und um eigenes Konterfeuer schiessen zu können, muss die eigene Artillerie über folgende Fähigkeiten verfügen: Reichweite – Präzision – Mobilität – Schutz.

Reichweite und Präzision

Auf kurze Distanzen (- 10 km) ist die Fähigkeit erforderlich, gegnerische Feuerstellungen mit präzisem Steilfeuer zu bekämpfen. Auf mittlere Distanzen (10 – 50 km) muss die Artillerie befähigt sein, die gegnerische Artillerie mit Konterfeuer zu zerschlagen. Dabei muss die Reichweite der eigenen Artillerie sich an der Reichweite der gegnerischen Artillerie orientieren. Wobei sich näher an die gegnerische Artillerie heranwagen kann, wer über grössere Flexibilität verfügt. Es geht darum, hochmobil mit ungefähr „gleich langen Spiessen“ kämpfen zu können. Auch ausserhalb der Einsatzräume der Brigaden, d.h. auf grosse Distanzen (über 50 km) muss die Konterfeuerfähigkeit bestehen. Dabei ist die Frage nach luft- oder bodengestützten Waffenplattformen sekundär.

Die Fähigkeit zur Reichweite bezieht sich nicht nur auf das Artilleriegeschütz. Entscheidend ist, dass auch die Artillerieaufklärung über entsprechende Fähigkeiten und Mittel (Flugbahnradar, Schall- und Sichtaufklärung) verfügt. Hier besteht in der Schweizer Artillerie eine Fähigkeitslücke; ja man muss feststellen, dass unsere Artillerie auf grosse Distanzen „blind“ ist und es übrigens schon immer war. Die Artillerieaufklärung ist daher zu befähigen, für Konterfeuer lohnende Ziele mit der notwendigen Präzision rechtzeitig zu bezeichnen.

Mit einer grösseren Reichweite nimmt die Streuung zu und die Präzision ab. Durch den Einsatz längerer Geschützrohre, verbesserter Treibladungen, Massnahmen zur Geschossstabilisierung auf der Flugbahn und selbstzielsuchender Munition kann die Präzision verbessert werden. Präzision beim Konterfeuer ist entscheidend, weil die Artillerie des Gegners nicht mehr aus kompakten Stellungen feuert oder ihre Batterien linear aufgestellt werden. Das ist nur der Fall, wenn die Konterfeuerfähigkeit der gegnerischen Artillerie nicht, die eigene Luftüberlegenheit hingegen sehr wohl vorhanden sind. Das Feuer eines einzelnen Geschützes, eines Mörsers oder eines Raketenwerfers ist die Regel. Diese Konterfeuerziele können nur mit präziser Munition bekämpft werden. 

Wie die Reichweite ist auch die Präzision nicht nur für Waffe und Munition sondern auch für die Artillerieaufklärung zu fordern. Weiter muss das Feuerführungs- und Feuerleitsystem der Artillerie Aufklärungs- und Zieldaten über alle Distanzen zeitverzugslos verarbeiten können. Hochpräzises Konterfeuer auf eine 50 km entfernte gegnerische Artilleriestellung ist wirkungslos, wenn es zu spät – also nachdem die gegnerische Artillerie die Stellung bereits wieder verlassen hat – erfolgt. 

Mobilität und Schutz

Alle Elemente des Systems Artillerie müssen über eine hohe Mobilität verfügen. Das gilt insbesondere für die durch Konterfeuer am stärksten bedrohten Waffenplattformen. Bei der Frage nach einer rad- oder raupenbasierten Plattform ist zu berücksichtigen, dass Radfahrzeuge auf befestigten Strassen und im offenen Gelände über Vorteile verfügen, während Raupenfahrzeuge bei der Überwindung von Hindernissen infolge starken Trümmerwurfs eine höhere Mobilität aufweisen. Entscheidend ist nicht nur, dass sich die unter Konterfeuer stehende Artillerie dem Feuer rasch entziehen kann, besser ist es, nach einem eigenen Feuerschlag die Stellung zu verlassen, bevor die Aufklärungsergebnisse (Flugbahnradar) des Gegners in Zielkoordinaten umgewandelt werden können und das gegnerische Konterfeuer beginnt. Steht ein eigener Artillerieverband bereits unter Konterfeuer, ist die Fähigkeit zum Schutz der Besatzungen und der Waffe mittels Panzerung entscheidend. Wobei mehr Panzerung aufgrund des höheren Gewichtes die Mobilität einschränkt.

Fazit

Konterfeuer ist nicht nur eine Aufgabe der eigenen Artillerie, sondern gleichzeitig eine der grössten Bedrohung für die eigenen Bogenschusswaffen. Wenn wir uns an den in Europa heute vorhandenen Potentialen orientieren, kommen wir zum Schluss, dass die Schweizer Artillerie auf alle Distanzen zum Konterfeuer befähigt sein muss. Oder wie es General Guisan ausgedrückt hat: „Eine Artillerie, die nicht zum Konterfeuer befähigt ist, verdient den Namen Artillerie nicht.“ Konsequenz: Alle Elemente des Systems Artillerie sind für das Konterfeuer zu befähigen.