Konterfeuer

Konterfeuer ist nicht nur eine gefährliche Bedrohung für die eigene Artillerie, sondern gleichzeitig eine wichtige Aufgabe der eigenen Bogenschusswaffen. Dabei muss die Artillerie als Gesamtsystem verstanden werden. Dieses umfasst neben der Waffe inklusive Munition, die Aufklärung, die Führung und die Logistik.

Ein Hauptaugenmerk jeder Krieg führenden Partei wird sich auf die gegnerische Artillerie richten, da das gegnerische Artilleriefeuer eine der grössten Gefahren für Landstreitkräfte darstellt. Das Ausschalten des gegnerischen Unterstützungsfeuers gehört somit zu den primären Zielen militärischer Aktionen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Konflikt symmetrisch oder asymmetrisch ausgetragen wird. Unter den vier Hauptbedrohungen für die eigene Artillerie (Konterfeuer, Luftangriffe, Fernverminung und elektronische Kriegsführung) ist das Konterfeuer deshalb so gefährlich, weil in Europa heute grosse Potentiale im Bereich der Bogenschusswaffen inklusive Raketenartillerie vorhanden sind, die jüngst wieder ausgebaut werden.

Definition

Konterfeuer ist der Einsatz der eigenen Artillerie auf erkannte Stellungen gegnerischer Unterstützungswaffen (Mörser, Kanonen, Selbstfahrgeschütze und Raketenwerfer) vor, während und nach deren Feuereröffnung. Mit den heutigen Möglichkeiten der Aufklärung kann die gegnerische Artillerie im Feuerkampf innerhalb von 3 bis 5 Minuten ab deren Feuereröffnung mit eigenen Bogenschusswaffen bekämpft werden. Moderne Munitionssorten, insbesondere selbstzielsuchende und endphasengelenkte Präzisionsmunition, erlauben die Bekämpfung von Batteriestellungen aber auch von Einzelgeschützen, erschweren ein rasches Verlassen der Feuerstellungen und zerschlagen Geschütze und Mannschaften. Um dem gegnerischen Konterfeuer Stand zu halten und um eigenes Konterfeuer schiessen zu können, muss die eigene Artillerie über folgende Fähigkeiten verfügen: Reichweite – Präzision – Mobilität – Schutz.

Reichweite und Präzision

Auf kurze Distanzen (- 10 km) ist die Fähigkeit erforderlich, gegnerische Feuerstellungen mit präzisem Steilfeuer zu bekämpfen. Auf mittlere Distanzen (10 – 50 km) muss die Artillerie befähigt sein, die gegnerische Artillerie mit Konterfeuer zu zerschlagen. Dabei muss die Reichweite der eigenen Artillerie sich an der Reichweite der gegnerischen Artillerie orientieren. Wobei sich näher an die gegnerische Artillerie heranwagen kann, wer über grössere Flexibilität verfügt. Es geht darum, hochmobil mit ungefähr „gleich langen Spiessen“ kämpfen zu können. Auch ausserhalb der Einsatzräume der Brigaden, d.h. auf grosse Distanzen (über 50 km) muss die Konterfeuerfähigkeit bestehen. Dabei ist die Frage nach luft- oder bodengestützten Waffenplattformen sekundär.

Die Fähigkeit zur Reichweite bezieht sich nicht nur auf das Artilleriegeschütz. Entscheidend ist, dass auch die Artillerieaufklärung über entsprechende Fähigkeiten und Mittel (Flugbahnradar, Schall- und Sichtaufklärung) verfügt. Hier besteht in der Schweizer Artillerie eine Fähigkeitslücke; ja man muss feststellen, dass unsere Artillerie auf grosse Distanzen „blind“ ist und es übrigens schon immer war. Die Artillerieaufklärung ist daher zu befähigen, für Konterfeuer lohnende Ziele mit der notwendigen Präzision rechtzeitig zu bezeichnen.

Mit einer grösseren Reichweite nimmt die Streuung zu und die Präzision ab. Durch den Einsatz längerer Geschützrohre, verbesserter Treibladungen, Massnahmen zur Geschossstabilisierung auf der Flugbahn und selbstzielsuchender Munition kann die Präzision verbessert werden. Präzision beim Konterfeuer ist entscheidend, weil die Artillerie des Gegners nicht mehr aus kompakten Stellungen feuert oder ihre Batterien linear aufgestellt werden. Das ist nur der Fall, wenn die Konterfeuerfähigkeit der gegnerischen Artillerie nicht, die eigene Luftüberlegenheit hingegen sehr wohl vorhanden sind. Das Feuer eines einzelnen Geschützes, eines Mörsers oder eines Raketenwerfers ist die Regel. Diese Konterfeuerziele können nur mit präziser Munition bekämpft werden. 

Wie die Reichweite ist auch die Präzision nicht nur für Waffe und Munition sondern auch für die Artillerieaufklärung zu fordern. Weiter muss das Feuerführungs- und Feuerleitsystem der Artillerie Aufklärungs- und Zieldaten über alle Distanzen zeitverzugslos verarbeiten können. Hochpräzises Konterfeuer auf eine 50 km entfernte gegnerische Artilleriestellung ist wirkungslos, wenn es zu spät – also nachdem die gegnerische Artillerie die Stellung bereits wieder verlassen hat – erfolgt. 

Mobilität und Schutz

Alle Elemente des Systems Artillerie müssen über eine hohe Mobilität verfügen. Das gilt insbesondere für die durch Konterfeuer am stärksten bedrohten Waffenplattformen. Bei der Frage nach einer rad- oder raupenbasierten Plattform ist zu berücksichtigen, dass Radfahrzeuge auf befestigten Strassen und im offenen Gelände über Vorteile verfügen, während Raupenfahrzeuge bei der Überwindung von Hindernissen infolge starken Trümmerwurfs eine höhere Mobilität aufweisen. Entscheidend ist nicht nur, dass sich die unter Konterfeuer stehende Artillerie dem Feuer rasch entziehen kann, besser ist es, nach einem eigenen Feuerschlag die Stellung zu verlassen, bevor die Aufklärungsergebnisse (Flugbahnradar) des Gegners in Zielkoordinaten umgewandelt werden können und das gegnerische Konterfeuer beginnt. Steht ein eigener Artillerieverband bereits unter Konterfeuer, ist die Fähigkeit zum Schutz der Besatzungen und der Waffe mittels Panzerung entscheidend. Wobei mehr Panzerung aufgrund des höheren Gewichtes die Mobilität einschränkt.

Fazit

Konterfeuer ist nicht nur eine Aufgabe der eigenen Artillerie, sondern gleichzeitig eine der grössten Bedrohung für die eigenen Bogenschusswaffen. Wenn wir uns an den in Europa heute vorhandenen Potentialen orientieren, kommen wir zum Schluss, dass die Schweizer Artillerie auf alle Distanzen zum Konterfeuer befähigt sein muss. Oder wie es General Guisan ausgedrückt hat: „Eine Artillerie, die nicht zum Konterfeuer befähigt ist, verdient den Namen Artillerie nicht.“ Konsequenz: Alle Elemente des Systems Artillerie sind für das Konterfeuer zu befähigen.