Rückblick Herbsttagung 2018

Der Mörser 16 kann durch die Mitglieder besichtigt werden.

Am 22.09.2018 haben sich über 100 Offiziere der Artillerie sowie Gäste aus dem In- und Ausland zur Generalversammlung und Herbsttagung versammelt. Am Morgen fand in Weinfelden die 34. ordentliche Generalversammlung statt. Dabei wurde das Präsidium von Oberst Markus Oetterli an Oberstlt i Gst Florian Federer übergeben. Anschliessend informierte Herr Walter Gerhard, Projektleiter „Mörser 16“ der armasuisse, aus erster Hand über den Entwicklungsprozess und die Herausforderungen. Am Nachmittag fand eine Demonstration von Fahrzeug und Waffe in Bürglen auf dem Testgelände von General Dynamics European Land Systems-Mowag statt.

Festungsminenwerfer: Tiefe Bereitschaft oder Ausserdienststellung?

In seiner Stellungnahme vom 9.5.2012 zur Motion 11.4135 von Ständerat Paul Niederberger betreffend die Ausserdienststellung von Rüstungsgütern versichert der Bundesrat: «Hingegen kommt es zu keinen Liquidationen von modernen Systemen, was eine Nutzung solcher Systeme im Sinne von Ersatzteillagern nicht ausschliesst. So wurde die Ausserdienststellung von Festungsminenwerferanlagen gestoppt;» In der Armeebotschaft 2018 beantragt der Bundesrat dem Parlament die Ausserdienststellung der Festungsartillerie in den Jahren 2019 – 2024.

Der 12 cm Festungsminenwerfer (Fest Mw) ist eine Steilfeuerwaffe mit zwei glatten Rohren (Doppelmörser), die in einem Artilleriebunker (Monoblock) eingebaut ist. Im Monoblock sind alle für den Einsatz notwendigen technischen Installationen wie Feuerleitstelle und Übermittlungsmittel sowie Munition und weitere Versorgungsgüter untergebracht. Die Vorteile des Fest Mw sind seine hohe Einsatzbereitschaft, der hohe Schutz von Mannschaft und Waffe, die hohe Präzision, die Integration in das Waffensystem (Wf Syst) der Artillerie sowie die Versorgungsautonomie. Aufgrund des Standardkalibers 12 cm steht eine grosse Auswahl gängiger Munitionssorten zur Verfügung. Der Doppelmörser erreicht aufgrund eines automatisierten Ladevorganges eine Feuerkadenz von 24 Schuss pro Minute; was einer Batterie der mobilen Artillerie mit 6 kampfwertgesteigerten Panzerhaubitzen M109 entspricht. Bis ins Jahr 2003 wurden entlang der Hauptachsen und der Landesgrenze ungefähr 100 Fest Mw Monoblocks für rund 1 Mrd. Fr. gebaut. Mit den Fest Mw werden die Kampftruppen in ihrem Raum mit Artilleriefeuer unterstützt.

Aussenansicht 12 cm Fest Mw.

Armeebotschaft 2018

Mit der Armeebotschaft 2018 unterbreitet der Bundesrat dem Parlament die ersatzlose Ausserdienststellung aller Fest Mw. Das Wf Syst zur Abwehr eines mit Panzerverbänden vorgetragenen Angriffes hätte mit der veränderten Lage an sicherheitspolitischer und militärischer Bedeutung verloren. Die Verteidigung basiere heute auf mobilen Kräften. Ausserdem hätten moderne Präzisions- und Abstandswaffen den Nutzen von ortsfesten Wf Syst stark verringert. Die Fest Mw seien seit Jahren nur minimal instandgehalten worden und seien nicht mehr einsatzbereit. Weiter seien seit 2012 keine Truppen mehr vorhanden, welche die Fest Mw bedienen könnten. Vor allem argumentiert der Bundesrat aber mit Einsparungen von 1,5 Mio. Fr. beim Betriebsaufwand. Der einmalige Aufwand für die Ausserdienststellung wird mit 25 Mio. Fr. beziffert. Zwei weitere Varianten sind geprüft worden. Bei der Variante «tiefe Bereitschaft» geht es um den Erhalt des Wf Syst, damit es für eine allfällige spätere Nutzung wieder aktiviert werden könnte. Bei der Variante «minimale Grundbereitschaft» geht es um den Erhalt eines minimalen Bestandes von 10% aller Wf Syst, während der Rest ausser Dienst gestellt würde.

Veränderte Bedrohung und mobile Kräfte

Der mit Panzerverbänden vorgetragene, mit indirektem Feuer und aus der Luft unterstützte mechanisierte Angriff hat in allen militärischen Konflikten seit dem Fall der Berliner Mauer stattgefunden. Eine reine Orientierung an Wahrscheinlichkeiten bei der Bedrohungsanalyse greift zu kurz. Es sind die in Europa heute vorhandenen Potentiale an konventionellen Wf Syst, die in den letzten Jahren wieder aufgerüstet worden sind, bei der Beurteilung der gefährlichsten gegnerischen Möglichkeit zu berücksichtigen. Dem Argument, dass es verbunkerten Wf Syst an Mobilität fehle, ist zu entgegnen, dass das Artilleriefeuer unabhängig vom feuernden Wf Syst immer hoch mobil ist. Im Falle des Fest Mw umfasst der Einsatzbereich 360°, und die Reichweite beträgt rund 10 km.

Moderne Präzisions- und Abstandswaffen

Beim Fest Mw handelt es sich um ein Waffensystem der taktischen Stufe, während die erwähnten modernen Präzisions- und Abstandswaffen (Raketenartillerie und Luftwaffe) auf operativer oder strategischer Stufe eingesetzt werden. Nur die modernsten Armeen verfügen über eine geringe Anzahl dieser bunkerbrechenden Wf, welche in erster Priorität gegen Führungs- und Kommunikationsinfrastrukturen eingesetzt werden. Um keine lohnenden Ziele für Luftangriffe abzugeben, wurden die Fest Mw entlang der Hauptachsen verteilt.

Geschützraum 12 cm Fest Mw.

Einsatzbereitschaft

Dem Argument, dass es heute keine Truppen zur Bedienung der Fest Mw mehr gäbe, ist entgegenzuhalten, dass in der artilleristischen Feuerführung und Feuerleitung bei den Fest Mw dieselben Einsatzverfahren wie bei der mobilen Artillerie gelten. Das artilleristische Wissen ist in den mit der WEA verbleibenden vier Artillerieabteilungen vorhanden. Mit dem Rüstungsprogramm 2014 hat das Parlament den Kauf von 32 mobilen 12 cm Mörsersystemen als Ersatz für die 2009 ausser Dienst gestellten Panzerminenwerfer für rund 404 Mio. Fr. bewilligt. Ausgehend von einer Einführung bei der Truppe im Jahr 2023 wird damit nach rund 14 Jahren die Fähigkeitslücke in der unmittelbaren Feuerunterstützung auf kurze Distanz zu Gunsten der Kampfbataillone geschlossen. Bei der allfälligen Reaktivierung der ausser Dienst gestellten Fest Mw ist von einer noch längeren Zeitspanne auszugehen.

Betriebsaufwand und Investitionskosten

Die folgende Tabelle zeigt die jährlichen Betriebs- und die einmaligen Investitionskosten der in der Armeebotschaft 2018 erwähnten Varianten.

Tab. 1

Darin zeigt sich, dass bei einer isoliert betriebswirtschaftlichen Sichtweise die Variante «Ausserdienststellung» obsiegt. Allerdings sind die Einsparungen beim Betriebsaufwand von 1,5 Mio. Fr. gegenüber der Variante «tiefe Bereitschaft» im Vergleich zum Armeebudget klein. Ausserdem verursacht auch die Ausserdienststellung Investitionskosten bzw. sicherheitspolitische Entsorgungsgebühren von 25 Mio. Fr. zur Vernichtung von Rüstungsgütern mit einem Anlagewert von rund 1 Mrd. Fr. zu Anschaffungskosten. Für die Wiedererlangung der vollen Einsatzbereitschaft der Fest Mw rechnet der Bundesrat mit Investitionskosten von 250 Mio. Fr.

Fazit

Aus den oben genannten Gründen sind die verbunkerten Doppelmörser (Fest Mw) in tiefer Bereitschaft zu halten. Die geringen Vorwarnzeiten, die latente Bedrohung durch die in Europa vorhandenen Potentiale zur konventionellen Kriegsführung und die instabile sicherheitspolitische Lage verlangen nach der Bildung von Reserven. Die bezüglich Schutz, Präzision, Reichweite und Mobilität des Feuers modernen und funktionsfähigen 12 cm Fest Mw, welche aufgrund der steilen Flugbahn für den Kampf im überbauten Gelände geeignet sind, leisten hier einen wertvollen Beitrag und decken die artilleristische Grundlast ab, während mit der mobilen Artillerie Schwergewichte gebildet werden. Der dafür notwendige Betriebsaufwand von 2 Mio. Fr. beträgt 0,4 Promille des Verteidigungsbudgets von 5 Mrd. Fr. pro Jahr. Wohingegen mit der Ausserdienststellung Anlagenwerte von 1 Mrd. Fr. vernichtet und die Investitionen der Vergangenheit damit nutzlos würden.

Die hier verwendeten Bilder stammen aus der Mediathek des VBS.

Indirekte Feuerunterstützung auf kurze Distanz

Indirektes Feuer ist ein wesentliches Element, das die Armee zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe benötigt. Verfügen die eigenen Kampfbataillone nicht über Feuerunterstützung durch Bogenschusswaffen, so werden sie vom Gegner durch dessen Feuer permanent in Deckung gezwungen, können sich somit auf dem Gefechtsfeld nicht mehr bewegen und damit die Kampffähigkeit des Gegners auch nicht einschränken.

Indirektes Feuer wurde in praktisch allen militärischen Konflikten seit 1990 eingesetzt, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich daran in absehbarer Zukunft etwas ändern würde. Mit indirektem Feuer werden die eigenen Kampftruppen unterstützt, indem ein Gegner in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt und damit in seiner Kampftätigkeit behindert wird. Indirektes Feuer mit Bogenschusswaffen wurde und wird nicht nur von militärisch organisierten, staatlichen Streitkräften eingesetzt, sondern auch von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, beispielsweise mittels ungelenkten Raketen, Mörsern oder einzelnen Artilleriegeschützen. Indirektes Feuer wird auf unterschiedliche Distanzen eingesetzt: Auf mittlere bis grosse Distanzen gelangen Rohr- und Raketenartillerie, Kampfhelikopter und Kampfflugzeuge zur Anwendung, auf kurze Distanz (bis ca. 10 Kilometer) Mörsersysteme. 

Panzerminenwerfer 64/91 (Pz Mw 64/91)

Panzerminenwerfer 64/91.

Bis zur Ausserdienststellung 2009 verfügten die Kampfbataillone mit dem Minenwerferpanzer 64/91 über ein Mittel zur indirekten Feuerunterstützung auf kurze Distanz. Der Minenwerferpanzer 64 (Mw Pz 64) war der letzte Fahrzeugtyp, der auf der Basis des M113 für die Schweizer Armee beschafft worden war. Der Pz Mw 64/91 verfügte im Vergleich zum amerikanischen M113 A1 Standard Schützenpanzer über einen geänderten Innenausbau und eine erweiterte Funkanlage.  Das Fahrzeug wog 12 Tonnen und konnte auf der Strasse mit maximal 65 km/h verschieben. Die Panzerung betrug zwischen 12 und 44 mm. Die Mannschaftsluke auf dem Fahrzeug war dahingehend abgeändert worden, dass diese zweiteilig auf dem Fahrzeug Dach zur Seite hin zu öffnen war. Darunter war der 12cm Minenwerfer eingebaut welcher bei Bedarf auch im Felde auf einer speziellen Bodenplatte zum Einsatz kommen konnte. Der Minenwerferpanzer weist sowohl im inneren als auch äusserlich zahlreiche Anpassungen auf, welche bedingt durch die Hauptwaffe erfolgen mussten.  Die Trimmplatte an der Fahrzeugfront diente der Schwimmfähigkeit des Fahrzeuges und wurde nach Entzug der Erlaubnis zum Schwimmen zugunsten einer Abdeckblache in einem quer montierten Halteblech für die Aufnahme der Effekten der Besatzung entfernt.

Mit der von W+F Bern entwickelten und hergestellten Hauptwaffe konnten 12 cm Wurfgranaten, Rauchbrandgranaten, Beleuchtungsgeschosse und Explosiv-Übungsgranaten verschossen werden. Um das Jahr 2000 kam mit STRIX ein gelenktes, selbstzielsuchendes Mörsergeschoss aus schwedischer Produktion dazu. Es diente zur Bekämpfung von Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen. STRIX war bei ihrer Einführung die weltweit erste serienreife präzisionsgelenkte Mörsermunition. Insgesamt konnten 70 Schuss Munition auf dem Fahrzeug mitgeführt werden.

Als Sekundärbewaffnung verfügte der Pz Mw 64/91 über ein 12,7 mm Maschinengewehr 64, das ursprünglich von Browning später von Ramo hergestellt worden ist.

Insgesamt wurden 132 Stück des Pz Mw 64/91 für die Pz Mw Kp der Panzer- und Infanteriebataillone beschafft. Die fünfköpfige Besatzung setzte sich aus dem Fahrzeugkommandanten, dem Fahrer, dem MG Schützen, dem Geschützchef und dem Lader zusammen.

Indirekte Feuerunterstützung der Zukunft

Mörser 16 auf Piranha Fahrzeug.

Seit der altersbedingten Ausserdienststellung der 12 cm-Minenwerferpanzer 64/91 im Jahre 2009 verfügen die Kampfverbände der Schweizer Armee (Panzer- und Infanteriebataillone) über kein System mehr zur Sicherstellung der indirekten Feuerunterstützung auf kurze Distanz. Mit dem 12 cm Mörser 16 soll diese Fähigkeit wiedererlangt werden. Der Mörser 16 erlaubt es, auf der unteren taktischen Stufe (Bataillon) rasch Feuerschwergewichte – z. B. auf gegnerische Truppenansammlungen oder Fahrzeuge – zu legen. Mörsergeschosse weisen eine steile Flugbahn auf. Dadurch eignen sie sich besonders gut für den Einsatz im überbauten Gelände. Die vier neuen Mörserbatterien mit je acht Geschützen werden den mit WEA verbleibenden vier Artillerieabteilungen unterstellt. Jede Batterie verfügt über zwei Züge mit je vier 12 cm Mörsern 16 also über total 8 Waffensysteme. Im Einsatz werden die Mörserbatterien entweder den Kampfbataillonen einheits- bzw. zugsweise unterstellt oder verbleiben zentral geführt in den Artillerieabteilungen. Ein Mörser kann auch als Einzelgeschütz eingesetzt werden. Das heisst, dass jedes einzelne Mörsersystem auch über einen Rechner zur Ermittlung der Schiesselemente verfügt. Damit wird die Schweizer Artillerie erstmals über die Fähigkeit zum sogenannten „on-board-computing“ verfügen. Jedes Waffensystem verfügt so über eine eigene Feuerleitstelle.

Geschützbedienung mit «on-boardcomputing».

Vorgesehen ist die Beschaffung von 32 Mörsern mit Einbindung in das Integrierte Artillerie Führungs- und Feuerleitsystem (INTAFF) und in den Führungsverbund der Artillerie, von 12 geschützten Lastwagen (Logistikfahrzeuge) sowie von 36 Containern für den Munitionsnachschub. Die 12 cm Mörser 16 sollen im Zeitraum 2020–2022 ausgeliefert werden. Die erste RS zur Ausbildung der Besatzungen ist für das Jahr 2023 und die Einführung bei der Truppe im WK 2024 geplant.

Fazit

Mit dem Mörser 16 wird die Artillerie der Schweizer Armee nach 15-jährigem Unterbruch die Fähigkeit zur indirekten Feuerunterstützung auf kurze Distanz (bis 10 km) wieder erlangen. Dies ist zweifellos ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in die Zukunft der Artillerie. Bezüglich Feuerunterstützung auf mittlere und lange Distanz, Präzision des Artilleriefeuers, Schutz der Besatzungen und Mobilität bleiben aber grosse Fähigkeitslücken bestehen, welche im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Einsatzspähre „Boden“ zu behandeln sind.